Blau, Türkis und Grau sind
Himmel und Meer vorbehalten, der Uferbereich liegt in dunklen Braun-
und Ockertönen, die lediglich durch das violett-blaue Gewand der
größeren Figur belebt werden. Spaziergang am Steilufer
heißt die abgebildete Arbeit von Ingrid Goltzsche-Schwarz (1936-1992)
und erinnert doch in ihrer Stimmung eher an einen hastigen Aufbruch.
Eilig wenden sich die Menschen dem schützenden Land zu, eine in
sich gekehrte Mutter, mit gesenktem Blick, die ihre der See zugewandte
Tochter mit sich fort zieht. Nach längerer Zeit erkennt man zwischen
den brauen Strukturen des Erdbodens unmittelbar neben dem Paar eine
rechteckige Kiste. Die Szene entfaltet sich in leiser Melancholie, fast
scheint es, als ob die Figuren in die Erde eingehen wollten.
Ingrid Goltzsche-Schwarz lebte seit Ende der fünfziger Jahre in
Berlin-Köpenick, eng verbunden mit vielen Berliner Künstlern,
insbesondere auch mit der reise- und lebensfreudigen, geistreichen Charlotte
E. Pauly. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie lange Jahre als Buchhändlerin
und Bibliothekarin; von 1974 bis 1976 während der Badesaison als
Sortiererin und Antiquariatsbuchhändlerin in der Bunten Stube
in Ahrenshoop auf dem Darß. Die mitunter herbe Stimmung der Darßlandschaft
blieb auch später neben den Sujets Mensch, Landschaft und
Stillleben, sowie Arbeiten zu literarischen Vorlagen und zur Musik
ein bevorzugtes Thema.
Ende der siebziger Jahre entdeckte die Autodidaktin den Farblinolschnitt
für sich, perfektionierte ihn und fand hier in der Technik des
verlorenen Schnittes ihre eigenwillige künstlerische
Ausdrucksform. (Wobei alle Farbdrucke von einer Platte erfolgen, von
der man zuerst den zartesten Ton druckt. Danach wird die Vorlage - meist
nach einer aufgepausten Zeichnung beschnitten und mit dem nächst
dunkleren Ton darüber gedruckt. Dies wird so lange fortgesetzt,
bis sich schließlich durch immer weiteres Ausschneiden, Einfärben
und übereinander Drucken mit der dunkelsten Farbe auf dem
Blatt zuoberst der gewünschte Zustand einstellt.) Für
ihre Graphiken erhielt die Künstlerin mehrere Preise, insbesondere
für: Arkadien am Müggelsee und für Das
kleine Ich und das große Es.
Der Kunstverleih Treptow-Köpenick besaß von ihr zunächst
nur mit mehreren Farblinolschnitten aus den achtziger Jahren, einen
kleinen Bestand, der durch eine großzügige Schenkung der
Schwester Helga Seidler im Jahr 2008 erheblich erweitert werden konnte.
Ein vom Kulturamt Berlin-Köpenick herausgegebener umfassender Katalog
zu ihrem Leben und Werk erschien bereits 1997 als Ergebnis der Aufarbeitung
des künstlerischen Nachlasses.
Im Februar 2008 wurde die die Straße 330 in Friedrichshagen in
Ingrid Goltzsche-Schwarz Straße umbenannt.
Katharina Köpping (2006/2008)
<zurück
Auswahl